Erdumlaufbahnen sind ausgelastet, Kollisionswarnungen und Zusammenstöße stören täglich den geregelten Betrieb von Satelliten. „In 500 Kilometern und aufwärts zählen wir mittlerweile zehntausende Satelliten. Der Platz wird so langsam eng da oben“, sagt Prof. Stefanos Fasoulas zu Beginn des 2. Internationalen VLEO Symposiums. „Eine sinnvolle Alternative ist es, näher an die Erde zu kommen.“
Welche Lösungen es gibt, damit die Satelliten den rauen Bedingungen im niedrigen Erdorbit (Very Low Earth Orbit Regime – VLEO) trotzen können, präsentierten Wissenschaftler*innen und Nachwuchsforschende im Rahmen des vom Sonderforschungsbereich 1667 ATLAS (Advancing Technologies of Very Low Altitude Satellites) ausgetragenen Symposiums an der Universität Stuttgart. Professor Manfred Bischoff, Prorektor für Forschung und nachhaltige Entwicklung: „Als Prorektor bin ich stolz darauf, dass wir an dieser Universität ein so international sichtbares Zentrum für exzellente Forschung und Raumfahrttechnologien haben und diese hochrangige Konferenz ausrichten können. Der von der DFG geförderte Sonderforschungsbereich 1667 ATLAS fördert mit dieser Konferenz den internationalen Wissensaustausch und stärkt sein internationales Netzwerk.“
Aerodynamische Kräfte für nachhaltige Antriebstechnologien nutzen
Technologien wie diese entstehen in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Wissenschaftler*innen und Nachwuchsforschenden im SFB ATLAS. Zum Beispiel untersuchen Forschende neuartige Regelungssysteme und Steuerungskonzepte, die es möglich machen, Satelliten wie Flugzeuge treibstoffsparend im Orbit zu manövrieren. „Wir sehen die atmosphärischen Bedingungen im VLEO nicht ausschließlich als Störung an, sondern wollen Auftrieb und Widerstand auch für unsere Zwecke nutzen“, erklären Friedrich Tuttas und Fabian Geyer, Doktoranden am Institut für Flugmechanik und Flugregelung (IFR). So gelingt es, Satelliten kontrolliert auszurichten – etwa zur Datenübertragung an eine Bodenstation.
Satelliten, die über Funk kommunizieren
Große Datenmengen in kurzer Zeit zur Erde zu senden gestaltet sich jedoch knifflig. „Im VLEO bewegen sich die Satelliten viel näher und damit schneller relativ zur Erde. Das bedeutet, mehr Erdumkreisungen am Tag mit extrem kurzen Zeitfenstern zur Datenübertragung“, sagt Mark Neff, Doktorand am Institut für Robuste Leistungshalbleitersysteme (ILH). Am Posterstand des ILH präsentierte Neff bisherige Forschungsarbeiten zu Modulationsverfahren und Breitbandtechnologien. Satellitenkonstellationen, die über Funk miteinander kommunizieren, spielen eine zentrale Rolle in der Entwicklung moderner Mobilkommunikation. Auf diese Weise können Satelliten ein weltumspannendes Netz bereitstellen, worüber Daten und schnelles Internet jederzeit und überall verfügbar sind.
Tandem-Solarzellen sorgen für Energie
Zur Energieversorgung setzt das Team um Professor Michael Saliba auf zweischichtige Perowskit- und Silizium-Solarzellen: Dünner als ein menschliches Haar lassen sie sich flexibel in die Satellitenstruktur integrieren und halten auch extremer Strahlenbelastung Stand. „Für gewöhnlich werden Solarzellen mit Glas oder Kunststofffolie verkapselt“, sagt Andreas Pahler, Doktorand am Institut für Photovoltaik (ipv). „Für den Einsatz im VLEO brauchen wir jedoch besonders robuste Materialien, welche die Solarzellen dauerhaft schützen – daran forschen wir.“
Über ATLAS
Der Sonderforschungsbereich 1667 „Advancing Technologies of Very Low Altitude Satellites“ (ATLAS) wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit April 2024 für zunächst vier Jahre gefördert. Das Ziel ist es, die wissenschaftliche Grundlage zur Erschließung des niedrigen Erdorbits zu schaffen. Beteiligt unter Federführung der Universität Stuttgart sind 13 Institute sowie das Deutsche Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Unterstützung erhält der SFB von außeruniversitären Partnern aus Forschung und Industrie, etwa der European Space Agency (ESA), der Stuttgarter Astos Solutions GmbH und der Luleå University of Technology in Schweden.
Jacqueline Gehrke
Onlineredakteurin